Ich bin noch immer nicht sicher, ob das alles ernst gemeint ist. Vielleicht hab ich ja das ironische Momentum nicht begriffen. Die renommierte österreichische Tageszeitung „Die Presse“ hat in ihrer Sonntags-Ausgabe vom 05. Juli 2009 einem jungen Kreativen eine ganzseitige Anzeige zugestanden, um auf diese Weise eine hoch-technologische Lösungsmöglichkeit für die globale Hungerkrise vorzustellen.

weltmeisterer_Fäkal-Nahrung_DiePresse_Juli2009

DiePresse_2009-07-05_Kreativ-Nutrinova (pdf)

Man beachte:

  1. die Hautfarbe des Fäkalienproduzenten
  2. die Hautfarbe der Konsumenten der hochtechnologisch behandelten Fäkalien
  3. den Verteilschlüssel – 2 Nahrung/Person (weiß) vs 9 Nahrung pro 5 Personen (farbig)

O tempora, o mores!!!

3 Kommentare zu „Braune Lösung der Hungerkrise

  1. Leserbriefredaktion „Die Presse“ – leserbriefe@diepresse.com

    Chefredaktion „Die Presse“ – chefredaktion@diepresse.com

    CC: Tobias Egger – tobi.egger@gmx.net

    Wien, 25. Juli 2009

    Sehr geehrte Damen und Herren,

    In der Sonntagsausgabe der Presse vom 05. Juli 2009 haben Sie dem jungen Kreativen Tobias Egger Freiraum (S. 16) eingeräumt, um die Arbeit der Firma Nutranova vorzustellen. Mich beschäftigt seine Anzeige seit einigen Wochen. Ich bin bis heute nicht sicher, wie viel der Anzeige Realität und wie viel Satire ist. Der genannte Link funktioniert nicht, Herr Lorlisak scheint in Internetsuchmaschinen keine Größe zu sein und über das Global Nutrition Institute sind keine brauchbaren Informationen zu finden. Die großen globalen Probleme müssen adressiert werden, und es ist gut, wenn auch ungewöhnlich erscheinende Lösungsmöglichkeiten in Ihrem Blatt Raum finden.

    Sollte die Anzeige auf einer wahren Geschichte beruhen, gilt meine Kritik dem transportierten Rolleverständnis: Die Schwierigkeit des Nutranova-Konzeptes ist vermutlich eher die Kommunikation als deren technische Umsetzung. Herr Egger stellt sich dieser Herausforderung: Auf einfache Weise illustriert er, wie aus ausgeschiedenen menschlichen Nährstoffen wieder Nahrungsmittel entstehen können. Unglücklich sind an seiner Abbildung zwei Dinge: Der Fäkalienproduzent ist weiß und die Fäkaliennahrungs-Konsumenten sind farbig. Weiters stehen der weißen Beispielfigur mehr Nahrungsmittel zur Verfügung, als den farbigen Beispielfiguren. Die PR-Anzeige von Egger ist nicht besonders zukunftsweisend im Sinne globaler Gerechtigkeit. Die Kreativität des Künstlers scheint sehr verhaftet im traditionellen Rollenmuster der „Brotkrümel“-Entwicklungspolitik früherer Zeiten.

    Sollte der Kreativ-Freiraum dieser Juli-Ausgabe allerdings ein verspäteter April-Scherz sein: Mutig kreativ wäre Herr Egger gewesen, wenn die Rollenmuster vertauscht wären. Eine solche Anzeige hätte das Potenzial zum Aufrütteln für die Thematik gehabt. Die weltweite Hungerkrise verdient unsere Aufmerksamkeit. Eine Satire die so leer im Raum hängt, ist eher kontraproduktiv angesichts des Ernstes der Lage für viele Hungernde.

    Ich freue mich auf Auflösung: Satire unter der Gürtellinie oder schlecht durchdachte PR?

    Mit freundlichem Gruß

  2. DIE ANTWORT DES KÜNSTLERS

    Es ist gut, daß die Arbeit Reaktionen hervorruft. Seien es gute oder schlechte.

    Die Idee basiert auf einem Vortrag der »Yes Men« (http://www.theyesmen.org/), die vorgaben, ranghohe Mitarbeiter bzw. Manager des Großkonzern McDonald’s zu sein.
    Es wurde eine neue Technologie vorgestellt: Die Wiederaufbereitung von dem bereits erwähnten Großkonzern hergestellten Produkten.
    Diese wiederaufbereiteten Burger, Pommes Frittes, Softdrinks etc… etc… sollten dann in Schwellen- und Dritte Welt-ländern exportiert werden.

    Weitere Vorträge ähnlicher Art, hielten sie vor ebenfalls ranghohen Managern mehrerer anderer Konzerne.
    Die ekelerregende Tatsache, daß viele Ideen der Yes Men von den Hörern kritiklos angenommen, für gewinnbringend und umsetzungswürdig gehalten werden, brachte mich dazu,
    eine gefälschte Anzeige im Namen eines Nahrungsmittelkonzerns zu gestalten. Unter anderem sollte die Anzeige auf die Skrupellosigkeit solcher Konzerne anspielen.
    Doch wie man an der Tatsache, daß es nur eine Reaktion auf die Anzeige gab sieht, wird das Konzept des Konzerns Nutranova wohl angenommen und wenig hinterfragt.

    Interessant wäre auch gewesen, wie von Ihnen erwähnt, die Rollen zu vertauschen. Das hätte meiner Meinung nach jedoch nicht die Richtung in die ich wollte gezeigt.
    Als einfach kontraproduktiv sehe ich die Anzeige dennoch sicher nicht. In der Tat, hätte die Satire natürlich weitergedacht sein können.

    »Die Presse« weigerte sich zu Anfang, die Anzeige zu veröffentlichen. Aus welchen Gründen auch immer.
    Doch ein Gespräch einer meiner Dozenten (Studium Grafik-Design, Universität für angewandte Kunst Wien) liess die Chefredaktion umdenken.
    Persönlich sehe ich mich nicht als Künstler. Es hat meiner Meinung nach nichts mit Kunst zu tun, gezielte politische oder kritische Arbeiten zu schaffen und in die Öffentlichkeit zu bringen.
    Doch werden werden solche Arbeiten von der Presse immer wieder als »Kunst« abgetan (nicht auf Ihre Email bezogen).
    Schon allein die Tatsache, daß die Chefredaktion die Anzeige nicht ohne Urheber nennen wollte, zeigt das.
    Viel viel besser hätte die gefälschte Anzeige ohne Namensnennung funktioniert. Doch leider konnte man die Zeitung nicht dazu überreden. Das scheint also doch zu „gefährlich“ zu sein.

    Ein Umdenken Mancher und mehr Reaktionen gab es zu einer weiteren »Aktion« in den Wiener U-Bahnen (entstanden in Zusammenarbeit mit Markus Riedler): http://derStandard.at/?url=/?id=3371513
    Doch auch diese wurde als bloße Kunst gesehen.

    Die Anzeige ist also Satire. »Unter der Gürtellinie« sei unter anderem aufgrund der fehlenden öffentlichen Reaktionen dahingestellt.

    Es hat mich sehr gefreut, eine Reaktion auf die Anzeige zu lesen,
    Sollte auch die außenstehende Chef- oder Leserbriefredaktion auf Ihre Email antworten, so bitte ich Sie, diese an mich weiterzuleiten.

    Ich freue mich auf Ihre Antwort,
    Herzliche Grüße,

  3. Das Konzept scheint älter – ist Nutrinova vielleicht doch nicht erfunden?

    Mahlzeit der Woche
    aus „Die Woche“ Nr. 19 5.5.1995

    Die japanische Küche ist en vogue. Ob die Kreation von Mitsuyuki Ikeda allerdings eine große kulinarische Karriere vor sich hat, bleibt fraglich. Der japanische Wissenschaftler, ein Mitarbeiter des städtischen Forschungszentrums von Okayama, stellt proteinhaltigen FLEISCHERSATZ aus Klärschlamm her. Im Rahmen einer Studie zu neuen Recycling-Möglichkeiten entwickelte er. Eine Methode, die festen Bestandteile des Abwassers, die etwa zehn Prozent der braunen Brühe ausmachen und teilweise aus Toilettenpapier bestehen, bei hohen Temperaturen zu festem Granulat zu verkochen, zu pulverisieren und mit Sojaproteinen zu einer rotbraunen, zähen Masse zu verarbeiten. Nach Angaben erster Testesser schmeckt das „Jinko Nikku“ getaufte Secondhand-Food wie altes Hähnchen mit einem leichten Hauch von Fisch. Dass seine Kreation ein schwerwiegendes Image-Problem hat, weiß Herr Dceda: „Wahrscheinlich werden die Leute so was nur in Zeiten großer Hungersnot essen. Wir wollten trotzdem demonstrieren dass das, was den Körper unten verlässt, in recycelter Form oben wieder eingeführt werden kann.“

    http://www.wasser-wissen.de/uebersichten/skurriles.htm#Showdown

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